Mein Name ist Cedric Wagner aus Staufenberg-Daubringen und wurde am 16.12.2000 geboren.
Leider viel zu früh, in der 26. Schwanger-schaftswoche per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, war ich in der Gießener Kinderklinik trotz meiner viel zu frühen Geburt und meines geringen Gewichtes (1.090 g) in den ersten 3 Wochen meines Lebens ein „Vorzeigefrühchen".
Ich konnte nach 3 Tagen selbständig atmen und bekam keine Hirnblutung, welche bei Frühchen so früher Schwangerschaftswochen keine Seltenheit sind. Die ersten Tage verliefen so gut, dass man mich bereits nach 1 ½ Wochen von der Intensivstation auf die Frühgeborenenstation verlegte. Die Ärzte machten meinen Eltern große Hoffnungen, indem man sagte: Um den brauchen wir uns nicht sorgen, der muss nur gepäppelt werden.
Doch dann geschah das Ungeheuerliche: im Alter von 3 Wochen erkrankte ich lebensbedrohlich an einen Klinik-Keim, einem sogenannten Serratiakeim. Eine Blutvergiftung befiel meinen kompletten winzigen Körper, hinzu kamen eine schwere Meningitis und eine Hirnhautentzündung. Doch ich wollte leben und besiegte die schwere Infektion. Leider blieb die Hirnhautentzündung nicht ohne Folgen – laut MRT wurden ca. 70-80% meines Hirngewebes zerstört.
Cedric ist ein sehr therapiefreudiges Kind und bekommt schon seit Jahren kontinuierlich vier verschiedene Formen von Krankengymnastik. Er besucht die Hippotherapie (wird auch nicht von der Krankenkassen übernommen) wie auch Übungsstunden der Logopädie. Er ist gerne im warmen Wasser im Schwimmbad und nimmt so mit sehr gerne am Schulschwimm-unterricht teil. Großes Vergnügen bereitet ihm die Besuche eines Thermal-Solebads gemeinsam mit seinen Eltern.
Für den Grad seiner Behinderung ist Cedric ein aufgeweckter Junge, der seine Umwelt sehr wohl wahrnimmt und etwas erleben möchte. Seine Eltern sind ständig bemüht, ihm so viel an Förderung, Aktivität und Freude wie nur möglich zu bieten. Da bekannter Weise es nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten für Aktivitäten mit einem schwerst mehrfachbehinderten Kind gibt, wäre es für Cedric und seine Eltern eine große Bereicherung, wenn er ein Rollstuhlfahrrad hätte. Endlich könnte er an Fahrradausflügen mit anderen Familien und Kindern teilnehmen. Aber diese Teilhabe wird ihm nun sogar richterlich verwehrt.
Skandal
In einem ähnlich gelagerten Fall hatte ein Sozialgericht noch die Krankenkasse sogar noch zur Zahlung des Elektroantriebs verurteilt, doch Landessozialgericht und Bundessozialgericht wiesen die Klage ab. Die Klägerin sei für den Nahbereich (normaler Rollstuhl) der Wohnung ausreichend ausgestattet. Weder die Fahrradausflüge mit der Familie noch die Erfahrung von Geschwindigkeit und weitem Raum gehören nach Auffassung der Richter zu den Grundbedürfnissen, für die eine gesetzliche Krankenkasse bei einem behinderten Mitglied zuständig ist.
Geänderte Rechtsprechung
Die vorherige Rechtsprechung des BSG, nach der bei sehr hohen Defiziten durch mannigfache Behinderung auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die Integration in familiäre Aktivitäten bedient werden muss, wurde ausdrücklich aufgegeben. (Aktenzeichen B 3 KR 11/08 R)
Soviel zur Umsetzung der rechtsverbindlichen
UN-Behindertenrechtskonvention, seit 2009 rechtsverbindlich auch für Deutschland:
Krankenkasse muss Kosten für Speedy-Tandem nicht übernehmen
LSG Hessen, Pressemitteilung vom 28.06.2012 zum Urteil L 1 KR 100/10 vom 28.06.2012
Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Nicht zu diesen Hilfsmitteln gehören regelmäßig Fahrräder, die als Zuggerät an einen Rollstuhl gekoppelt werden (Speedy-Tandem). Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen ist die medizinische Rehabilitation, die durch das Herumfahren eines Rollstuhls mit Hilfe eines angekoppelten Fahrrads nicht erreicht werden kann. Dies entschied der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts am 28.06.2012.
Behinderter Junge ist für Fahrradausflüge auf Hilfsmittel angewiesen
Ein 12-jähriger Junge aus dem Landkreis Gießen leidet an einer spastischen Cerebralparese sowie einer schweren Sehstörung. Er ist zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen, den er aufgrund seiner Behinderung nicht selbstständig fahren kann. Seine Kinderärztin verordnete ihm ein Speedy-Tandem. Nachdem der Sozialhilfeträger hierfür Eingliederungshilfe für behinderte Menschen versagt hatte, lehnte auch die gesetzliche Krankenkasse die Übernahme der Kosten in Höhe von knapp 3.700 Euro ab. Zur Begründung führte sie an, dass das Fahrradfahren nicht zu den Grundbedürfnissen gehöre, für deren Sicherstellung die Krankenversicherung einzutreten habe. Zudem könne die angestrebte Integration des behinderten Jungen in die Gruppe der gleichaltrigen Jugendlichen nicht durch ein Speedy-Tandem erreicht werden. Die Eltern des behinderten Kindes hingegen verwiesen darauf, dass das Speedy-Tandem die Teilnahme ihres Sohnes an den Fahrradausflügen mit der Familie und Freunden ermögliche, in der Schule genutzt werden könne und seine Integration in den Kreis nichtbehinderter Jugendlicher fördere.
Krankenkasse nur für medizinische Integration zuständig
Die Richter beider Instanzen gaben der Krankenversicherung Recht. Zwar gehöre zum Behinderungsausgleich auch das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums. Bei Jugendlichen gelte dabei als Maßstab die Entfernung, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklege. Damit solle in der jugendlichen Entwicklungsphase eine Integration in den Kreis der Gleichaltrigen ermöglicht werden. Sei eine eigenständige Fortbewegung mit dem Hilfsmittel jedoch nicht möglich, könne dieses Ziel nicht erreicht werden. Der 12-Jährige könne aufgrund seiner Behinderung lediglich passiv umhergefahren werden. Im öffentlichen Straßenraum könne dies zudem nur durch Personen über 15 Jahren geschehen. Damit diene das Speedy-Tandem nicht der medizinischen Rehabilitation.